23. Adventskalendertürchen

"Man sieht nur mit dem Herzen gut.

Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."

(Antioine de Saint-Exupéry)

 

 

 

 

 

Nun bin ich fast am Ende meines Adventskalenders, möchte euch hier aber noch ein paar Tipps für Santiago de Compostela geben:

 

Santiago de Compostela

 

Als der Eremit Pelayo Anfang des 9. Jh. „von Sternen geleitet“ den Sarg des Jakobus, Santiago, wiederentdeckte, gab es hier wohl noch nichts als Natur. Wegen der Lichterscheinung wurde der Ort Campus Stellae, Sternenfeld, genannt, aus dem sich der Name Compostela entwi­ckelte.

 

Alfonso II. el Casto eröffnete die Jakobuspilgerschaft und errichtete über dem Grab eine Kapelle, die schnell zu klein und ab 872 durch eine größere Kirche ersetzt wurde. Schwups!, kamen auch schon 930 die ersten deutschen Wallfahrer an, gerade rechtzeitig, bevor Kalif Almanzor die stark befestigte Stadt sowie sein Gotteshaus am 10. August 997 zer­störte. Das Grab selbst ließ er allerdings aus Respekt unbeschädigt.

 

Zu Beginn lagen die Gründe der Pilgerfahrten noch darin, mit der Wall­fahrt und den Gebeten am Apostelgrab um Hilfe und Beistand zu bitten oder ein in einer Notlage gegebenes Versprechen ein­zulösen. 1122 führte Papst Calixt II. das Heilige Compostelanische Jahr ein und machte Santiago de Compostela zum ersten Ort überhaupt, der einen vollständigen Ablass erteilen durfte (für Rom galt das erst ab dem 15. Jh.), was sich freilich rege auf die Pilgerleidenschaft auswirkte (und Rom einigen Verdruss bereitete). Papst Alexander III. (bis 1181) erklärte sie gar zu einer „Heiligen Stadt“ und setzte sie damit Rom und Jerusalem gleich.

 

Seit 1985 steht die Stadt auf der Liste der UNESCO Weltkulturerben.

 

 

Ganz besonders hinweisen möchte ich euch auf die Initiative „Ankommen – erwartet werden“ – eine richtig tolle Sache! Voluntäre der Diözese Rottenburg bieten vom 1. Mai bis 15. Oktober um 13.00 Uhr ein Gruppengespräch an. Am besten finde ich den spirituellen Rundgang um die Kathedrale um 19.00 Uhr:

 

Ist euch z. B. am Nordportal die Figur La Fe, Glaube, aufgefallen? Oder wusstet ihr, dass sich an der linken hinteren Ecke der Kathedrale ihr ältester Teil befindet, die die romanische  Capela da Corticela (9. Jh.) befindet, seit jeher Gotteshaus für Pilger, Ausländer und aus­drücklich auch für Basken, die den hiesigen Einwohnern wohl nie wirklich geheuer waren? Das und ganz, ganz viel mehr könnt ihr bei diesem Rundgang erfahren!

 

Außerdem findet täglich um 8.00 Uhr ein deutschsprachiger Gottesdienst in einer der Seitenkapellen in der Kathedrale statt.

 

Und schaut mal am Südportal:

 

An der am ursprünglichsten erhaltenen Seite der Kathedrale findet ihr ein, wie ich finde, sehr schönes und wichtiges Symbol für uns Pilger: Die Zeichen für Alpha und Omega im Rad der Unend­lichkeit am Trumeau (Mittelpfeiler) stehen verkehrt herum – hier beginnt mit dem Ende der Pilgerreise ein neues Leben. Ist das nicht ein schöner Gedanke?!

 

Der linke Tympanon trägt Szenen der Versuchung Jesus durch Dämonen und gipfelt in einer Ehebrecherin mit Totenkopf auf dem Schoß, zu der es im Codex Calixtinus heißt: „... zweimal am Tag küsst sie jenes Haupt, von ihrem Mann dazu gezwungen.“ – Heideröslein!

 

Der rechte Tympanon rafft in Szenen das gesamte Leben Jesus zusammen, von der Geburt (Maria mit Kind) über sein Wirken (Heilung eines Blinden) bis zur Hinrichtung (Verrat, Aufsetzen der Dornenkrone).

 

Sehr schön finde ich auch die Darstellung der Schaffung an den äußeren Seiten links von Adam und rechts von Eva. Beide sind gleich groß wie Gott, der sich ihnen liebevoll zuwendet und die Hand auflegt (bei Eva sieht es ein bisschen ... unangemessen aus).

 

 

 

Genießt die Stadt aber bitte nicht nur bei Tageslicht!

 

 

 

 

Der ewige Pilger – eine Liebe ohne Happy End

 

Zum Abschluss möchte ich euch noch den ewigen Pilger vorstellen. Er versteckt sich in einer Ecke an der Rückseite der Kathedrale links der Puerta del Perdón  an einer halbhohen Steinsäule und zeigt sich nur bei Dunkelheit. Seht ihr ihn? – Der Schatten sieht aus wie ein Pilger und erzählt eine sehr schöne und leider traurige Geschichte:

 

Gegenüber im Kloster Mosteiro de San Paio de Antealta­res lebte eine Nonne (heute gibt es dort nur noch ganz wenige) und im Kloster San Martín Pinario (s. S. 230) ein Mönch, die sich unsterblich ineinander verliebt und beschlossen hatten, gemeinsam aus dem Ordensleben und der Stadt auszubrechen. Als Pilger verkleidet versuchten sie sich davonzu­stehlen. Leider wurden sie erwischt und die Nonne wieder ins Kloster gesteckt. Doch für wahre Liebe gibt es keine Riegel: Jede Nacht im Schutz der Dunkelheit stellte sich der Mönch hier unten hin und blickte schmachtend zum Fenster sei­ner Angebeteten hinauf … und das tut er heute noch. – Hach ja!

 

 

 

Feiern auf pilgrisch

 

So, und jetzt tut es! Legt euch, wenn es dunkel ist, auf der Praza do Obradoiro mit dem Kopf zur Kathed­rale und guckt an den Türmen entlang in die Sterne der Milch­straße. Das ist … Halsgeknödel der feinsten Art! Ihr müsst euch auch nicht komisch vorkommen, denn ihr liegt bestimmt nicht lange alleine!

 

Und dann geht zu den Arkaden gegenüber, in denen abends eine galicische Musikgruppe zum Tanz aufspielt und lasst vor Freude und Stolz nicht nur eure Herzen hüpfen!

 

 

 

Text: "Camino Primitivo für Bauchfüßler"

Fotos: Kathedrale

Rad der Unendlichkeit

Der ewige Pilger