21. Adventskalendertürchen

(Achtet bei diesem Foto mal ganz besonders auf die Fersen!)

 

Geht es euch auch so, dass langsam alles fertig wird für Weihnachten? Die Geschenke (sofern überhaupt schon gekauft) sind verpackt und tragen dekorative Schleifen und Bänder (falls man der Kunst des Bindens dekorativer Schleifen und Bänder mächtig ist, bei mir ist da eher ... Gestrüpp, aber liebevoll angeordnet), die Plätzchen sind gebacken (... und die meisten davon schon aufgegessen), der Christbaum steht bereit und der Adventskalender sieht aus wie ein gerupftes Huhn.

 

 

 

Langsam neigt sich auch mein Adventskalender für euch dem Ende zu. Darum wird es höchste Zeit, auch mal ein Wörtchen über Galicien zu verlieren, die Autonome Gemeinschaft Spaniens, in der Santiago de Compostela liegt.

 

 

Galicien und ein bisschen Geschichte

 

Reste seiner Ursprünge findet man in den Castros, den etwa 1.000 runden Wehr- und Wohnanlagen auf den Hügeln entlang der Küste, die sich bis in die Eisenzeit datieren lassen.

 

Am meisten geprägt ist seine Kultur durch die Kelten, die ab ca. 600 v. Chr. hier siedelten: Hórreos gehören ebenso ins Land­schaftsbild wie die Gaita, Sack­pfeife, und die Pandeireta Galega, Tam­burin, zu den Klängen kelti­scher Volksmusik. Im Notfall greift man gerne – frei nach dem Motto „¡yo no creo en las Meigas, pero haberlas, las hay“, ich glaube nicht an Hexen, aber es gibt sie! – auf den Hexenkult zurück, nimmt sich in Acht vor der Santa Compaña und vertreibt den letzten Rest der bösen Geister mit einer hochgeistigen Queimada. ¡Salud!

 

 

 

 

Um 135 v. Chr. kamen die Römer und gründeten etwa 60 v. Chr. die Provinz Gallaecia (aus dem altgriech. kalla – Berg/Gallaeker – vornehmlich im Gebirge ansässiger Keltenstamm). Ihnen folgten die Sueben und im 6. Jh. die Westgo­ten. Die maurische Invasion im 8. Jh. blieb für Galicien weitestgehend folgen­los, denn der regnerische Norden der Iberischen Halbin­sel war den Arabern zu unwirtlich und Ausgangspunkt der Reconquista (Rückeroberung aus maurischer Herrschaft).

 

Bis im 9. Jh. das Grab des Heiligen Jakobus wiederentdeckt wurde, schnurchelte Galicien den Schlaf der Unauffälligkeit und spielte auch danach nur eine Rolle als Ziel christlicher Pilger, nicht aber politisch oder wirtschaft­lich.

 

Ein Sprichwort sagt, „Vigo arbeitet, Santiago betet und A Coruña lebt“ – womit über das heutige Galicien alles Wichtige gesagt ist. Santiago de Com­postela ist die religiöse und politische Hauptstadt, das Gebiet um die Hafen- und Indust­riestadt Vigo (Camino Portugés) am dichtesten besiedelt und in A Coruña (Camino Inglés) pulsiert, nicht zuletzt durch die vielen Tausend Kreuzfahrt-Touristen, das Leben. Nach dem Ende der Franco-Diktatur wurde das Verbot des Galego aufgehoben und neben Spanisch als Amtssprache eingeführt.

 

 

 

 

In Galicien könnt ihr euch, wenn kein Pfeil das Gegenteil sagt, gut an den Muscheln orientieren, deren Finger in Richtung Santiago de Compostela zeigen. In regelmäßigen Abständen sind Steine aufgestellt, die obendrein sagen, wie weit es noch zum Ziel ist. Die Angaben sind ziemlich genau – auch wenn sich das manchmal anders anfühlt.

 

Galicien hat so die eine oder andere Besonderheit, die zu dieser Region gehört wie die Nase ins Gesicht und der Rucksack auf den Buckel (von den Blasen an den Füßen mag ich hier jetzt nicht schreiben) und es total liebenswert macht:

Corredoiras – wo Märchen geboren werden!

 

Diese ländlichen, für Galicien so typischen Wege sind gerade breit genug, dass ein Ochsenkarren zum Transport von Feldfrüchten, Holz und Gütern auf ihnen fahren konnte. Oft werden sie zu tiefen Hohlwegen, über denen das Blattwerk sich wie ein Tunnel schließt und haben etwas … halsknödelig Mys­tisches, Ver­zaubertes, Märchenhaftes und man wartet schier darauf, dass von hinten eine Rennschnecke – möpmöööp! - zum Überholen ansetzt.

 

 

 

Cruceiros – Wegkreuze der ganz besonderen galicischen Art

 

Wegkreuze haben immer etwas Besonderes, findet ihr nicht? An ihnen haben sich Reisende schon vor Jahrhunderten orientiert. Die Cruceiros in Galicien sollten die Menschen außer­dem vor bösen Geistern schützen (s. Santa Compaña). Sie haben ganz oft zwei Seiten: Eine zeigt Christus am Kreuz, die andere Maria als Virgen de los Dolores, schmerzhafte Muttergottes (Pietà) mit dem Leichnam Jesus auf dem Schoß.

 

 

 

Santa Compaña

 

Die Prozession von Geistern, Toten und ruhelosen Seelen ist tief im mythischen Herzen Galiciens verankert. Sie schreiten des Nachts ihrer Wege, barfuß, in Leichentuchumhänge gehüllt und mit Kapuzen auf dem Kopf. Wenn sie in Zweierreihen den Rosenkranz betend und Totenlieder singend vorüberziehen, ersterben alle Geräusche und nur ein schwacher Duft ihrer langen Kerzen bleibt in der Luft. Sie kommen, um die Seele eines bald versterbenden Menschen einzufordern, die nicht Versterbenden ihrer begangenen Verfehlungen zu gemahnen oder gar eine aus dem Jenseits heraus verhängte Strafe zu erfüllen.

 

Solltet ihr einem solchen Zug begegnen, sucht den Schutz eines Crucieros oder werft euch, Gesicht nach unten, in ein auf den Boden gezeichnetes Pentagramm mit Kreis drumherum (Drudenfuß). Seht den Toten nicht in die Augen, überhört ihre Stimmen, tut einfach so, als ob es sie nicht gäbe, bewegt euch nicht, auch nicht zitternd, und erinnert euch an das, was ihr schon als Kind gelernt habt: Nehmt nichts von toten Leuten an! Sonst müsst ihr bis an euer Lebendsende der Prozession als Leithammel vorangehen und, glaubt mir: Jede Nacht in der Gegend herumzulatschen kann ganz schön anstrengend werden und mit lauter herumwackelnden und vor sich hin brabbelnden Toten hinter euch wollt ihr auf keinen Fall von Mitpilgern gesehen werden!

 

 

 

Hórreos – Getreidekammern

 

Sie sind euch sicher schon aufgefallen, diese lustigen Schuppen auf Stelzen. Sie sind wirklich klug durchdacht: Ihre Beine haben oben Mäuseherunterfallknupfel oder –platten, ihre Wände sind luftig genug, dass das Lagergut nicht schimmelt, und doch so dicht, dass keine Vögel hineinfliegen können und der Zugang hat immer eine Unterbrechung zwischen den Stufen. .... Ob sie noch Überbleibsel der Kelten sind oder erst um das Jahr 1400 entstanden ... ist nicht wirklich wichtig, denn ich bin mir sicher: Nach diesem Camino werdet ihr verstehen, warum die Menschen sich ein Ortsbild ohne sie auch im Zeitalter der Kühlschränke und Supermärkte nicht vorstellen können.

 

 

 

 

 

Text: "Camino Portugés für Bauchfüßler"

„Camino Inglés für Bauchfüßler“

„Camino Primitivo für Bauchfüßler“

 

Fotos: Wegweiser kurz vor Santiago de Comostela auf dem Camino Francés

Wegstein auf dem Camino Primitivo

Kunstwerk auf dem Weg von Tui nach O Porrino, Camino Portugués

Stein Pedrón, Padrón, Camino Portugués

Corredoira zwischen Betanzos und Hospital de Bruma, Camino Inglés

Cruceiro hinter Castroverde, Camino Primitivo

Badezuber Iglesia de San Francisco, Betanzos, Camino Inglés

Hórreo hinter Arzúa, Camino Francés