Heideröslein! Mein Countdown zählt runter und runter und ich kriege nun doch langsam dieses kruddelige Gefühl im Bauch. Aber das kenn ich ja schon und es gehört einfach dazu: die Aufregung, dieses Hin- und Herüberlegen, was man noch alles braucht, wo etwas verbessert und leichter gemacht werden kann, die Suche nach neuen Ideen für die Packliste. Es ist so eine Unruhe - fast ein bisschen wie als Kind vor Weihnachten! -, die ganz leise in einem winzigen Eckchen anfängt und sich von Tag zu Tag breiter macht. Ich mag das!
Das ist mein neuer Rucksack! Es fällt mir ein bisschen schwer, meinen Alten nicht wieder mitzunehmen, weil irgendwie ist das ... dann halt anders auf dem Buckel und er ist mir wirklich lieb und seine Hüftgurte so schön bequem. Aber er ist einfach auch zu groß. 60 + 10 Liter - ich dachte damals, es sei eine gute Idee, so einen großen Rucksack zu haben. Was ich nicht bedacht hatte, war, dass ich all das, was da hineinpasst, ja auch tragen muss. Im ersten Jahr habe ich ihn auch wirklich nur ganz schwer alleine auf den Rücken gekriegt. Inzwischen habe ich ja ein bisschen dazugelernt und letztes Jahr war er nur noch halb voll ... was ja jetzt auch dämlich aussieht und ich die Verpackung für die nicht gefüllte Hälfte ja auch ungefüllt schleppen muss.
Also jedenfalls ist der Neue lustiger in seinem Quietschgrün, kleiner (aber hoffentlich groß genug), leichter (über 1 kg!) und vor allem schmaler, worüber ich bestimmt froh sein werde, wenn ich doch zu meinen Stöcken greifen muss.
Aber nicht nur der Rucksack ist neu, sondern eigentlich alles rund um meinen Camino.
Ich werde in diesem Jahr den Camino Primitivo gehen, den ursprünglichen Jakobsweg nach Santiago, der weiter nördlich an der oberen Kante des Kantabrischen Gebirges entlangführt. Er geht ein ganzes bisschen mehr hoch und runter (wie viel er wirklich mehr hoch und runter geht, daran mag ich gar nicht denken, weil sonst krieg ich Wackelpuddingknie), ist nicht so bekannt wie der Camino Francés und entsprechend weniger belaufen.
Damit ist er für mich genau das Richtige, denn ich fürchte, ich werde in diesem Jahr zum ersten Mal erfahren, wie es ist, wenn man einen Jakobsweg geht und der Rucksack nicht das einzige Päckchen ist, das man trägt. Es ist in den letzten Monaten so viel passiert und es fällt mir manchmal ein bisschen schwer, Menschen um mich herum zu ertragen. Ich würde den Camino Francés jetzt nicht als total überlaufen bezeichnen, aber ich glaube, ich mag dieses Mal mehr alleine sein.
Und ich glaube, auf der Strecke von Burgos nach Santiago würde ich eh an jeder Ecke stehen und mir die Augen aus dem Kopf heulen, weil ich die Menschen von letztem Jahr vermissen würde, die mir diesen Weg so besonders und unvergesslich und unbezahlbar wertvoll gemacht haben. Ich würde die Flipflops mit den Weintrauben vermissen, Melanies wunderschöne und warme braune Augen, Ries ausdrucksstarke Nase, Taylors Herzlichkeit, Sofia und Mia, die sich in der Kälte aneinander kuscheln, all die vielen lieben Umarmungen. Ich würde Helga vermissen und dass jemand Liebelein zu mir sagt. Und ich würde vor allem bei jedem weißen Auto in Tränen ausbrechen, weil ich Silke suchen würde (das war der Hammer! Dass sie das gemacht hat!). Und ich würde in Santiago den Herrn mit der Rose suchen, Achim, der in seiner Unterhose von oben aus dem Fenster ruft, Alexandra, die die Kathedrale unter Wasser setzt ... und meine Fee.
Letztes Jahr ist mir auf dem Weg so viel erschreckend Schönes passiert und hat meinen Camino zu etwas so Besonderem gemacht - ich glaube, das hätte ich bei jedem Schritt im Hinterkopf.
Aber alle Wege führen nach Rom und ganz viele nach Santiago. Ich bin jedenfalls total gespannt, wie der Primitivo so sein wird.
Aber ich muss auch ehrlich gestehen, dass mir schon auch ein bisschen bang ist ums Herz. Ich weiß nicht, ob ich nicht vielleicht ganz alleine oder nur mit einem anderen Pilger (womöglich auch noch ein Mann! Nee, ich bin ja nicht prüde, aber ich glaube, DAS wäre mir dann doch unangenehm!) in einer Herberge schlafen muss. Und ich weiß ja auch gar nicht, ob ich diese Einsamkeit, so sehr ich mich jetzt darauf freue, dann auch aushalte.
Darf's einen kleinen Dütz mehr sein? -
Hei jo, man gönnt sich ja sonst nix!
So, jetzt ist es noch ein bisschen mehr als eine Woche bis zu meinem Abflug und zu Ostern haben meine Schuhe Flügel bekommen ... und in meinem Kopf hat sich eine Idee so festgesetzt, dass ich sie nicht mehr herausbekomme aus meiner Birne.
Ich habe mir nämlich überlegt, dass, wenn ich eh schon durch das Gebirge watschele, genau dieses, das Gebirge nämlich, auch einmal überqueren könnte, von León aus über den Camino Salvador nach Oviedo. Gut, ich müsste halt erst von Oviedo mit dem Bus weiter nach León fahren ... um dann in etwa 5 - 6 Tagen wieder dahin zurückzulatschen, aber na gut, das sind ja nur unwesentliche 117 km mit 2.400 m hinauf - das kann ja nun nicht soooo schlimm sein! Naja, es geht halt zwischendrin auch immerwieder bergab, damit es dann wieder bergauf gehen kann, aber Hallo! Ich kann Aroha, Bauch-Beine-Po, Pilates und Yoga - das mach ich doch mit links! ... und geflügelten Schuhen.
Ich gehe auch nicht mehr alleine. Irgendwie hat es sich ergeben, dass Erich, ein ganz lieber Mitpilgerstammtischler, den ich vom ersten Moment an als meinen großen Bruder adoptiert habe (und ihm dabei feste auf seine eh schon trümmergebrochene Schulter wumste - Heideröslein!, war mir das peinlich!), einen Tag vor meinem Flug in León ankommt und von da eigentlich den Camino Francés gehen wollte. Und dann waren wir an Ostern zusammen (und ganz vielen anderen und ganz dolle Lieben! (ich finde, wir haben den besten Stammtisch überhaupt! Da kommt so schnell nix mit! (muss ja auch mal gesagt sein))) zwei Tage in der Pfalz unterwegs (Heideröslein! Das waren mehr Pausen als Kilometer! Aber es war sooo schön!) und da hab ich ihn einfach gefragt, ob er sich vorstellen kann, dass wir gemeinsam von da nach Santiago nur halt anders gehen. Und obwohl er mich kennt, hat er sofort alle seine Pläne über den Haufen geworfen!
Nun bin ich ja nicht sooo der ängstliche Mensch, aber hier und da ist es mir doch lieber, wenn da abends jemand in der Herberge ist, der weiß, dass ich auch noch ankommen muss. Und wenn ich mir vorstelle, ich allein in einem fremden Haus ... oder allein mit einem oder zwei fremden Männern ... da ... bin ich doch froh ... Also jedenfalls fühle ich mich jetzt viel wohler und sicherer und dafür bin ich ganz schön dankbar!
Die Karten, die jetzt kommen ...
... habe ich mir selbst auf www.gpsies.com gebastelt und hoffe, dass die mir nicht böse sind, dass ich die hier benutze. Aber weil man die ja überall verlinken kann (wenn man es kann, was ich leider nicht kann, was mir viel Arbeit gemacht hat, aber jetzt bin ich doch ein bisschen stolz auf mich, dass ich die wenigstens so hingekriegt habe), denke ich, dass das OK ist, und bedanke mich ganz lieb.
Sie sind nur als Eckdaten zu verstehen. Wie lange wir gehen und wo wir am Abend übernachten werden, das wissen wir erst, wenn wir da sind. Aber ich weiß ja, dass Frau und Herr T., liebe Bekannte der besten Schwiegermutter der Welt, schon jetzt ganz ungeduldig darauf warten, dass sie wieder mitlesen können. Liebe Frau T. lieber Herr T., ich kenne Sie nicht, aber dass Sie sich so für meine Wege interessieren - das ist schon etwas ganz Besonderes für mich. Ich werde ganz oft an Sie denken!
Also die Karten bitte nur mit gaaaanz viel Vorsicht genießen ... und sich hier und da die Höhenprofile (Heideröslein!) auf der Zunge zergehen lassen ... während ich an ihnen ganz schön zu lutschen haben werde. Ich fang jetzt schon mal an zu stöhnen und zu ächzen für den Fall, dass ich unterwegs nicht mehr die Puste dafür habe).
Aber so habe ich die Blog-Seiten zumindest mal vorbereitet und brauche dann nur noch die Bilder und den Text einzufügen. Und ich kann selbst gucken, wo ich hin muss, falls ich mich verliere.
So, und sooo weiß ich jetzt auch genau alles über den Weg:
Salvador: 116,9 km bei 2.400 Höhenmeter hinauf (hinunter habe ich nicht ausge-
Primitivo: 313,2 km bei 7.750 Höhenmeter hinauf rechnet, weil die sind ja hinunter)
Macht 430,1 km bei 10.150 Höhenmeter hinauf
Na bitte, ist doch jetzt gar nicht soooo schlimm (ich hatte irgendwie 12.000 Höhenmeter im Kopf. Wo die herkamen, weiß ich jetzt auch nicht mehr, zumindest haben sie sich in meinem Hirn doch deutlich vermehrt)