04.05.2013 Leon

Soll ich euch etwas sagen? Ich bin heute ein bisschen traurig. Ich wusste ja, dass Helga mich nur bis nach Leon begleiten wuerde und natuerlich bin ich darauf eingestellt. Aber jetzt ist es doch  ... ein bisschen ... nicht so lustig.

 

Wer den Weg nach Leon kennt, weiss, dass man darueber nicht viel sagen kann und will. Nein, schoen ist anders. Und ich hadere auch wieder mit jedem Schritt, aber ich gehe. So, und jetzt kann ich sagen, dass ich wirklich JEDEN Schritt des Caminos gegangen bin - mindestens einmal  (manche auch dreimal, aber mindestens eben einmal!)

 

 

Ich komme ganz automatisch an einem Platz vorbei. Hups! Den kenne ich. Da ist die Herberge. Und es ist genau drei Minuten vor Oeffnung. Also melde ich mich dort schnell an und stelle meinen Rucksack ab. Dann brauche ich den schon mal nicht mehr zu tragen.

 

Ich treffe Helga und Silke in einem Cafe an der Kathedrale  und nach einem leckeren Kaffee schlendern wir noch ein bisschen ueber den Markt und das gothische Viertel, bevor wir Helga zum Bahnhof bringen.

 

Also mal ehrlich: Ich fuehle mich ja schon ... krusselig. Aber wie muss es ihr jetzt gehen, wo sie gerade warmgelaufen ist und wieder nach Hause muss. Und weil ich weiss, dass sie das jetzt  liest, schicke ich ihr noch einmal einen ganz  festen Knuddler. Das du mit mir gekommen bist, war wirklich "mehr wie schee"!

 

 

Silke und ich vertroedeln dann den Nachmittag in Leon. Das ist auch schoen, aber irgendwie auch komisch. Erstens fehlt Helga und zweitens sind wir so auf Laufen getrimmt, dass es ganz komisch ist, hier einfach herumzusitzen.

In der Bar vor der Herberge treffen wir einen hollaendischen Fahrradpilger. Und ich sage hier ausdruecklich Pilger, weil er das auch ist, nicht so ein  netter Fahrradfahrer, fuer die wir Watscheler auf die Seite huepfen muessen, damit die nicht bremsen brauchen. Er ist in Holland losgefahren und seitdem eigentlich auch immer alleine, weil er auch die Menschen in den Herbergen ja immer nur einmal sieht und dann nie wieder. Hm. Er guckt auch nicht wirklich gluecklich aus der Waesche und ich verstehe das nur zu gut. Ja, im letzten Jahr habe ich auch nicht sooo viele Menschen kennengelernt und relativ wenig Kontakt gehabt, aber da hatte ich so viel mit mir zu tun und  bin auch immer anders gelaufen als alle anderen. Aber da habe ich mich auch ziemlich einsam gefuehlt und zum Beispiel Blog geschrieben ohne Ende. In diesem Jahr ist das so ganz anders: Die ersten beiden Pilgerinnen haben wir schon in Stuttgart am Flughafen getroffen und gehen seither immer irgendwie parallel. Inzwischen kenne ich so viele auf dem Weg und habe so viele schoene Gespraeche, dass ich gar nicht zum Schreiben komme - auch wenn  ich Internet haette. Aber das finde ich vielleicht auch eben deswegen nie, weil ich ja gar nicht dazu komme, es zu suchen!

Jedenfalls haben wir mit eben diesem Hollaender und ganz vielen anderen einen superschoenen Abend: Wir sitzen um die Tische im Hof der Herberge und jeder bringt das ein, was er hat: Salami, Brot, Wein, Kaese, Nuesse. Es ist so schoen!

 

Fuer mich ist eben so ein Abend ein Grund, den Camino immer wieder zu gehen. Ich mag das so sehr!

Was ich allerdings gar nicht mag, ist , dass man immer so frueh im Bett sein muss. Ich gehe noch mit zum Abendgottesdienst der in einer kleinen Kirche nebenan ist. Als wir wieder zurueckkommen, ist der Himmel so schoen! Die Sonne ist wohl gerade erst untergegangen und er ist noch nicht schwarz und duster, sondern von einem wunderschoenen dunkelblau. Die Luft ist so weich und warm und fluffig, die Bar sieht so verlockend aus ... und hinter mir wedelt einer mit dem Schluessel und treibt mich an, wie eine olle, stoerrische Kuh, die noch ein bisschen auf der Weide bleiben moechte.

 

Muuuuuh! (kuhisch fuer so ein Kaese, ich geh ja schon ins Bett!)

Für alle, die hier den Camino Francés gerne verlassen möchten, gibt es hier die Möglichkeit, über den traumhaft schönen, aber auch nicht wenig anstrengenden Camino de San Salvador nach Oviedo zum Camino Primitivo zu wechseln!