02.05.2013 Bercianos

Beim Aufwachen habe ich ein bisschen Herzschmerz: Marius, unser Luettchen, hat heute seine erste Abschlusspruefung und seine olle Rabenmutter hockt irgendwo in der spanischen Pampa und wandelt auf den Spuren des heiligen Jakobchens. Na bravo!

 

Ich brauche lange, bis ich fertig bin.  Helga und Silke sind laengst  weg. Wir werden uns in Sahagun in der erstbesten Bar treffen.

Heute scheint die Sonne. Na bitte, geht doch. Es ist zwar kalt, aber ich brauche zumindest keinen Poncho mehr.

So, jetzt haben wir aber ein kleines Erkennungsproblem, weil bisher kenne ich die Pilger ja nur in Ponchos, das heisst, ich kenne eigentlich keine Untendrunter, sondern nur ihre Obendrueber. Hm. Na gut, das dauert aber bestimmt nicht lange, dann erkenne ich sie auch wieder an ihren Rucksaecken ... aehm .... oder auch nicht, weil ich ja eh nie etwas erkenne. Aber unterwegs gab es einen Pilger, der nannte mich immer das Rotkaeppchen (und weil der wohl Hollaender war, hoerte sich das auch noch sooo lieb an). Das wird mir jetzt fehlen!

Ich wubsele so vor mich hin, da aergern mich doch so freundliche Tagesbeutelchentraeger, die von hinten kommen, leichtfuessig und fast ueber den Camino schwebend, und mich ueberholen. Das waere ja in  Ordnung und nicht schlimm, wuerde der Schlumpf nicht mit einem Hups direkt vor meine Fuesse springen, um dem naechsten die Ueberholspur freizumachen. Hallo! Mich gibt es auch noch und ich bin alles andere als leichtfuessig! Ich bin klumpfuessig und mein schweben hinterlaesst tiefe Schleifspuren!

 

Na gut, denke ich, reg dich nicht auf, sondern bleib halt stehen, weil aus dem Tritt bin ich jetzt eh gebracht. Da kommt es jetzt darauf auch nicht an und hinterher kann ich ja wieder laufen.

 

Kann ich auch, bis zu dem Stein, auf dem "Palencia" steht und an dem ich Frau Dosenmilch noch einmal getroffen habe. Den haette ich nun gerne fotografiert, aber bitte nicht mit diesen Hupfern. Die will ich nun nicht wirklich auf meinem Foto haben.

Also gehe ich weiter und hoere schon bald von hinten lebhafte Kommunikation. Meine Aeuglein werden ganz schmal und kleine Dampfwoelkchen stupfeln mir aus den Ohren. Ohren? Oh ja, das ist ja eine gute Idee: Ich stoepsel mir Musik in die Lauscherlein und beginne lauthals zu singen. Hihihi, und so erledigt sich mein Problem von ganz alleine. Die vier Beuteltraeger wetzen an mir vorbei, wie von der unheiligen Mistgabel gestochen und nehmen sich auf gar keinen Fall die Zeit, sich gegenseitig Platz zu machen. Schwups, sind sie nicht mehr gesehen.

Fuer die naechsten Momente zumindest. An der Ermita Virgen del Puente stehen sie und lichten sich gegenseitig ab. Oh, sie sehen so aus, als ob das laenger dauern koennnte. Tut es aber nicht: Kaum erhascht der Erste von ihnen einen Blick auf mich, nehmen sie die Fuesse in die Haende und verschwinden in einer Staubwolke. Hm, das kann ich jetzt gaaaar nicht verstehen.

In Sahagun treffe ich Helga und Silke in einem Café wieder. Den beiden geht es richtig gut, denn bis ich endlich ankomme, haben die schon eine gaaanz lange Pause hinter sich. Das ist fein. Das geschieht ihnen recht.

 

Ich gehe noch schnell in eine Apotheke, weil mir von dem vielen Naseputzen in den letzten Tagen ein so praechtiger Herpes gewachsen ist - ein Loriot-Maennchen (ihr wisst schon, die mit den ausgepraegten Oberlippen) ist eine schmallippige Schoenheit gegen mich. Der Apotheker ist so nett und redet und redet und ist so hilfsbereit. Ich verstehe ja kein Wort, nur dass die Creme nicht nur fuer die Lippen, sondern notfalls fuer das ganze Gesicht verwendet werden kann. Hallo! So schlimm ist es nun auch wieder nicht.

Nachdem wir noch ein bisschen durch den Ort gebummelt sind, machen wir uns auf und weiter in Richtung Bercianos zu einer meiner Lieblingsherbergen.

Ich vertreibe mir die Zeit damit mir vorzustellen, wie schoen es ware, wenn "meine" Hospitaleros wieder da waeren. Aber Hallo! Ich habe vorerst ja mehr als genug Magie auf dem Weg gehabt: San Nicolas geoeffnet und dort geschlafen, Silke - da muss man ja nicht unverschaemt werden.

 

Es ist ein anderer Hospitalero da, aber der ist auch sehr nett und das gemeinsame Abendessen sehr lecker.