So meine Lieben, es ist also so weit: Der Flug nach Bilbao ist gebucht, die Busverbindung nach Burgos herausgesucht, der erste Vorleseabend und mein erster Vortrag sind überlebt, die Steuererklärung ist raus - jetzt steht zwischen mir und den Bettwanzen nur noch die Autorenbegegnung (Autorenbegegnung? Hups? Ich bin doch kein Autor! Autoren schreiben ganz viele mehr oder weniger sinnige Bücher; ich habe nur EIN Buch geschrieben und ob das jetzt so sinnvoll ist ....) in unserer Bibliothek.
Also eins muss ich euch ja mal sagen: Wer denkt, man gewöhne sich daran sich auf den Weg zu machen und dass die Aufregung ja irgendwann mal weniger wird, der täuscht sich ganz gewaltig! Also bei mir gewöhnt sich nix und wird auch nix ruhiger! Ich fühle mich, wie kurz vor meiner ersten Verabredung mit George Clooney - nicht dass ich je mit ihm verabredet gewesen wäre, aber wenn ich es gewesen wäre, wäre das mit Sicherheit nicht so schlimm wie das Gefühl, das ich jetzt habe ... zum fünften Mal! Ich habe das Haus schon so was von gescheuert und gewienert, dass ich mich selbst darin nicht mehr wohl fühle. Ich habe alle Hemden gebügelt! - auch die, die eigentlich eh schon glatt waren. Dann habe ich mit Unterhosen und Socken angefangen!
Also gut, alles ist fertig: Das Haus ist sauber, der Garten gerichtet, der Rucksack gepackt, die Schuhe warmgelaufen, die Geschenke für alle möglichen Gelegenheiten gerichtet. Und ich bin fix und fertig - aber so was von!
Ich will los!!!!!
Nein, ich bin nicht aufgeregt,
es ist nur das Bauchgewupse, das mich bewegt.
Mein Rucksack, ich wag es kaum zu sagen,
ist schon gepackt seit vielen Tagen
und steht nun rund und nett
neben meinem Bett.
Um mich an das Schlafgefühl zu gewöhnen
nahm ich – bitte, ihr dürft nicht höhnen –
das Laken schlicht von der Matratze
auf dass ich mit ohne Unterlage ratze
Auch die Decke musste geh’n
Schlafsack – ach ja, der ist schön
und macht so ein schönes Schlafgefühl
Ist es mir in ihm dann kühl
bleibt der Schlafanzug in seinem Schubladenverließ
An meinen Körper kommen Micro, Shell und Fleece.
Da kann es draußen stürmen und schnein –
ich trag meine Wanderhosen tagaus tagein
und in Wanderstiefeln lauf ich munter
die Treppen rauf und wieder runter
Rauf ziemlich oft, um ganz gewiss
sicher zu sein, dass mein Rucksack noch da ist.
Die Waschmaschine hat jetzt frei –
ich übe mich in Handwaschrubbelei
und Weichspüler wird verpönt
damit Nas sich an den Geruch gewöhnt
Ich esse nur noch mit Taschenmesser und ganz munter
leg ich, wenn alle Teller benutzen, mein Taschentuch unter
Eine Schnarchkulisse aus dem Internet
aufs Handy gespielt , damit im Bett
ich lauschen kann der nächtlichen Ruhe mit Stöpseln im Ohr –
da komm ich mir wie in Najera vor! *
Meine Füße habe ich
so lange geschubbelt, bis sich
an ihren Sohlen gebildet, die ich dann
mit Blasenpflaster abkleben kann
Damit ich auch keine Angst mehr vor Regen haben muss
stehe ich täglich und mit Genuss
mit Rucksack und Poncho unter der Dusche und, das ist es mir wert,
hinterher wird nicht abgetrocknet, sondern microfasergeledert!
* (Herberge mit nur 90 Betten in einem Raum!)
Mein Spruch für dieses Jahr:
Möge ich mich herumtragen in Glückseligkeit!
Naja, also das mit der Glückseligkeit ... lasse ich jetzt mal dahingestellt. Aber ich werde mich herumtragen, nicht auf Händen, weil das würde bestimmt total blöde aussehen (plumps), aber auf meinen Füßen ... wenn die nicht schlapp machen.
Zur Information für alle Santiago-Ankömmlinge!
Es gibt in der Kathedrale in Santiago ein Projekt, das heißt "Ankommen - erwartet werden": Gottesdienst morgens um 8.00 Uhr (das hört sich so früh an, gell? Aber in den Herbergen sind die Nächte eh spätestens um 6.00 Uhr zu Ende, von daher ist 8.00 Uhr eine durchaus ... luxuriöse Zeit!) am Grab des Jakobus in Deutsch, Austausch nach dem Pilgergottesdienst und abends um 19.00 Uhr ein spiritueller Rundgang um die Kathedrale.
Den Flyer dazu findet ihr hier: http://www.drs.de/fileadmin/HAIV/Spiritualitaet/Spiritualitaet_Flyer_Santiago_2012.PDF