Huhu, hier bin ich wieder. Erst gibt es ueberall gar kein Internet und dann gibt es ueberall Internet. So, und ihr muesst das ausbaden.
Kinders, hatte ich eine grauselige Nacht. Ich weiss auch nicht, ich komme im Moment einfach noch nicht zum Schlafen. Dass mich meine Bettnachbarn nicht erwuergt und erdrosselt haben, weil ich um 1.00 Uhr morgens angefangen habe, Gummibaerchen zu schmatzen, wundert mich selbst. Aber Hallo! Wir sind hier auf dem Camino, da wird niemand umgabracht ... und wenn, dann nur, dass es niemand merkt.
Muss ich noch sagen, dass ich heute morgen entsprechend motiviert davon gedackelt bin. Nee, ne! Meine Beine waren schwer wie Blei, mein Bauch auch und meine Augen wollten so gar nicht offen bleiben. Aber ich bin gewackelt und wenn man lange genug wackelt, gewoehnt sich der Koerper daran, sich vorwaerts zu bewegen, waehrend der Geist ein Ruhepaeuschen einlegt und schnurchelt.
Diesmal habe ich mich auch gar nicht gleich verlaufen. Ging auch gar nicht, ich brauchte ja nur den anderen Rucksaecken hinterher zu watscheln. Und davon gibt es in diesem Jahr unglaublich viele. Fuer heute rechnet man wohl mit 400 anreisenden Pilgern in San-Jean-Pied-de-Port, und wenn man so guckt, was hier so herum laeuft, denkt man: "Nur? Oh, das wird ja dann mal ein ruhiger Tag." Fragt mich nicht, warum, aber ich habe das Gefuehl, dass sich hier die gesamte Menschheit versammelt hat, die sich auch nur halbwegs eigenstaendig auf zwei Beinen fortbewegen kann. Der Hammer. Staendig kommen ganze Horden in Gruppen von hinten. Die hoert man dann schon von ganz weitem wie eine Dampfwalze. Da hilft nur stehen bleiben, alle vorbei lassen, dankbar sein, dass sie einem nicht einfach in Grund und Boden gestapft haben, schnell ein paar Meter gehen, bevor die naechste Dampfwalze kommt.
Es ging zweimal den Buckel hinauf, aber gar nicht schlimm. Wenn ich euch sage, dass ich ueber zwei Paesse gezuckelt bin, dann hoert sich das ganz toll an. Aber ich bin ja schon ganz oben gewesen, viel hoeher kann da ja nicht mehr kommen.
Leider hat man hier, wohl um es den Fahrradfahrern angenehmer zu machen, zwischen den beiden Paessen weite Strecken des Weges mit kunstvoll gestaltetem Beton verpflastert. So ein Quatsch! Warum laesst man die Menschen nicht einfach weiter den Boden unter den Fuessen spueren! Aber so ist es nunmal. Das gehoert auch zum Weg: Annehmen, auch den Beton, auch die Dampfwalzen und zum Himmeldonnerwetter auch die Radlfahrer.
Kurz vor dem dritten Ort unterwegs (ich hab jetzt gerade keinen Reisefuehrer hier und gebe meinen Platz am Computer auf gar keinen Fall auf) hat man die Wahl, einen Wasserlauf ueber Betonstupfen zu queren oder auf die Strasse auszuweichen, die gleich fuenf Meter weiter links verlaeuft, von mir aber leider erst wahrgenommen wird, als ich mit dem Hintern mitten im Wasser lande. Ueber die Stupfen habe ich mich mit dem Rucksack nicht getraut, denn der ist so umfangreich und schwer, den haette ich nie im Leben ausbalanciert bekommen. Also entscheide ich mich fuer den Wasserweg, der freilich total klitschig ist, und lande da, wo ich landen musste. Na klasse. Sinnigerweise dreht sich mein Koerper im Fall gerade so, dass ich bei der schmerzhaften Ankunft ganz tief unten genau auf die Strasse gucke. Ich wieder! Ich krabbele erst einmal auf allen Vieren an die rettenden Ufer (war ja nun wirklich nur ein Schritt), suche mir ein einsames Platzchen, lasse meinen Packen auf die Erde plumpsen und bin froh, dass mich erst einmal niemand hoert und sieht. So.
Nachdem ich mich ausgetobt und trockene Kleider angezogen habe, beschliesse ich noch genau bis zum naechsten Ort zu laufen und da auf den Bus nach Pamplona zu warten. Von da komme ich schon irgendwie nach Bilbao und von da nach Hause. Ich habe Nase voll, Hintern blau und Klamotten inclusive Schlafsack klatschnass! Ich habe fertig! Schluss! Aus! Punkt!
Nach einem cafe con leche und einer Zigarette sieht die Welt allerdings schon wieder ganz anders aus, zumal ich erkenne, dass das hier genau der Ort ist, auf den ich schon die ganze Zeit gewartet habe: Hier hatten Thomas und ich vor drei Jahren in einem ganz suessen kleinen Supermarkt unsere Muscheln gekauft und genau das mache ich jetzt auch wieder ... und treffe dabei Ingo, den ich in der Herberge in Orisson kennengelernt habe. Ruckzuck kommen noch ganz viele andere von dort langsam aber zielsicher in der Bar eingefallen und ich bin nicht mehr allein! Das tut so gut!
Nach 1,5 Stunden Pause sind meine Kleider fast wieder trocken, mein Hintern hat aufgehoert weh zu tun, meine Seele ist gestreichelt und ich packe meinen Rucksack wieder fein saeuberlich ein und watschel weiter. Bus? Was ist mit dem? Ich? Nie! Ich werde sogar ganz uebermuetig und ueberlege, noch einen Ort weiter zu laufen. Aber als wir in Zubiri ankommen (Ingo ist die ganze Zeit bei mir geblieben, wohl weil er fuerchtete, dass ich sonst wirklich reisaus nehmen koennte) bin ich auch von diesem Hochmut gelaeutert und heilfroh, dass wir noch jeder ein Bett in einer Herberge bekommen ... mit Internet und Wifi. Also kann ich schreiben nach Herzenslust und die Bilder posten, die ich heute mit dem Handy gemacht habe.
Und ich kann euch allen sagen, wie sehr ich euch vermisse! Knuddeleuchalleganzlieb!
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